Unsozial: Linke lehnt Haushalt 2025 ab
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
jetzt bin ich schon seit 30 Jahren in der Kommunalpolitik und muss gestehen, dass ich auch erschrocken war, als der Kämmerer uns im September einen Haushalt mit einem geplanten Defizit von 65 Mio. € vorlegte. Es ist zwar nur ein schwacher Trost, aber Paderborn steht damit nicht allein. Die finanzielle Lage der Städte in Deutschland hat sich nach einer Umfrage des Deutschen Städtetages dramatisch verschlechtert. Von den Städten schätzten 95 Prozent ihre Haushaltslage in den kommenden fünf Jahren als eher schlecht oder sogar sehr schlecht ein, sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe (CDU). Man erlebe "eine komplette Kehrtwende hin zum Schlechteren". Der Umfrage zufolge, an der 100 Großstädte teilnahmen, können 37 Prozent der Städte keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen. Weitere 47 Prozent schaffen einen ausgeglichenen Haushalt nur, indem sie auf finanzielle Rücklagen zurückgreifen. Eine Aussicht auf Besserung ist nicht in Sicht. Wie soll man jetzt auf diese katastrophale Schieflage reagieren? Bei der Ursachenforschung gibt es noch weitgehende Übereinstimmung. Bei der weiteren Analyse gehen die Meinungen in diesem Haus aber schon weit auseinander. Die einen meinen, wir hätten ein Ausgabeproblem. Es müsse also ordentlich gespart werden. Wo genau, bleibt immer vage. Da ist den Sparkommissaren das politische Hemd immer noch näher als die dicke Hose. Ohnehin kommt das Gerede vom „Gürtel enger schnallen“ immer von denen, die Hosenträger tragen. Wer ernsthaft glaubt, das jetzt zu beschließende 56 Mio. Defizit durch Einsparungen wegsparen zu können, hat die komplette eigene Schullaufbahn den Matheunterricht geschwänzt.
Die anderen sagen, wir haben ein Einnahmeproblem. Die Steuerkraft Paderborns liegt deutlich unter dem Durchschnitt. Der Kämmerer hat darauf hingewiesen, was – nebenbei bemerkt – etwas paradox klingt, weil er gleichzeitig einer der schärfsten Gegner von neuen Steuereinnahmen ist, auch wenn er zuletzt angesichts der deutlichen Mehrheiten einknicken musste. Richtig ist: Wir haben natürlich beides! Wenn den Kommunen immer neue Aufgaben ohne ausreichende Gegenfinanzierung aufgebürdet werden, bricht das System irgendwann zusammen. Wenn den Kommunen ein höherer Anteil an der Einkommens- und Umsatzsteuer vorenthalten wird, können die Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Die Finanznot der Kommunen zwingt dann zu immer drastischeren Kürzungen. Die Infrastruktur verkommt, Schwimmbädern werden geschlossen, der Nahverkehr wird ausgedünnt, Sozialleistungen werden gestrichen. Wenn die unsinnige Schuldenbremse nicht gestrichen oder zumindest reformiert wird, können die notwendigen, gewaltigen Infrastruktur-Investitionen der Kommunen nicht mehr finanziert werden. Die eigene Steuerkraft jetzt zu erhöhen ist richtig. Wir würden vor dem Hintergrund der drohenden Haushaltssicherung ohnehin dazu gezwungen. Deshalb begrüßt unsere Fraktion die Einführung der City-Tax und – voraussichtlich – der Verpackungssteuer. Wir haben vor allem darauf geachtet, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt nicht zusätzlich belastet werden. Die City-Tax bezahlen fast ausnahmslos auswärtige Gäste. Bei der Verpackungssteuer kann ich selbst entscheiden, ob ich Mehrweg benutze oder nicht. Wer unbedingt meint, weiter hemmungslos Müll produzieren zu können, soll dafür wenigstens zahlen.
Bei der Grundsteuer ist das anders. Die müssen alle zahlen. Der Hebesatz bei der Grundsteuer B ist allein im letzten Jahr zweimal um insgesamt 100 Punkte auf jetzt 579 erhöht worden. Auch wenn der Kämmerer ständig wiederholt, die Gesamteinahmen seien aufkommensneutral, sind die Gewerbegrundflächen um vier Mio. € entlastet worden, da bekanntlich ein differenzierter Hebesatz nicht gewollt war.
Der Hebesatz bei der Gewerbesteuer hingegen ist seit 2016, also seit fast 10 Jahren, nur um einen sagenhaften einzigen Punkt erhöht worden und liegt seit 2019 bei 418 Punkten. Eine Erhöhung wäre allemal gerechtfertigt. Das produziert hier aber bei einer Mehrheit im Haus Darmtornados.
Die Argumente gegen eine Erhöhung höre ich seit 30 Jahren. Sie sind alle falsch und treffen nicht zu.
Diese Entscheidungen führen zu einer sozialen Schieflage. Sie sind sozial ungerecht. Das ist mit der Linken nicht zu machen.
Der städtische Haushalt soll in den Folgejahren durch die sukzessive Entnahme der Rücklagen in den Eigenbetrieben – wir reden hier über rund 29 Mio. € - entlastet werden. Diese Entnahmen müssen vom STEB und vom ASP kreditfinanziert werden und belasten die Bilanz. Das soll keine Auswirkungen auf die Gebühren haben. Das hat der Kämmerer mehrfach versichert. Wir rechnen im nächsten Jahr - nach den Wahlen - mit deutlichen Gebührenerhöhungen auf breiter Front und wir werden uns sehr genau die Gebührenkalkulation anschauen, mögen sie auch noch so kreativ sein.
Herr Bürgermeister, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Haushalt – für den sich jetzt eine breite Mehrheit abzeichnet – wäre fast gescheitert. Und das hat Gründe. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten eine CDU-Fraktion erlebt, die kopf- und planlos in die Ratssitzungen gekommen ist und fast noch den Bau des neuen Stadthauses aufs Spiel gesetzt hätte.
Nach dem Bruch mit den Grünen wollte man offensichtlich „CDU Pur“ durchsetzen, ganz nach dem Vorbild von Merz/Linnemann. Nebenbei bemerkt: Eine wunderbare Parodie über Carsten Linnemann in der letzten „Anstalt“, sehr zu empfehlen.
In den Fraktionssitzungen die Backen aufblasen, angefeuert von der Partei-Seitenlinie, und dann im Rat wie die begossenen Pudel dastehen. Das ist keine kluge Politik. Offensichtlich hat man vergessen, dass man keine Mehrheit mehr hat.
Angetrieben von den ideologischen Hardlinern, mit dem völlig vergeblichen Versuch, der AfD das Wasser abzugraben, versucht man das politische Roll-Back, dem zuerst die Baumschutzsatzung zum Opfer fiel. Dann der Parkhaus-Wahn. Das sind alles politische Signale: Klimaschutz interessiert uns nicht mehr. Wir wollen weiter eine Autovorrangpolitik.
Ich sage Ihnen, mit dieser Politik treiben Sie Paderborn wieder in den Provinzialismus. Die Anzeichen mehren sich und es ist ein politischer Trading-down-Effekt zu befürchten. Ich muss nur die Peinlichkeiten bei der Personalsuche für Spitzenämter erwähnen. Das gilt auch für die Nachfolgesuche von Michael Dreier.
Die junge Generation unserer Stadt erreichen Sie jedenfalls damit nicht. Die wollen aktiven Klimaschutz und eine alternative Verkehrspolitik, weg vom Verbrenner-Auto.
Das könnte uns natürlich herzlich egal sein. Die Jugend wendet sich der Linken zu. Aber uns geht es um die Zukunft der Stadt. Wir wollen hier gute Lebensbedingungen, eine zukunftsorientierte Stadtpolitik und soziale Gerechtigkeit. Das scheint mit der Paderborner CDU nicht mehr machbar. Sie wirken ausgebrannt und ideenlos. Höchste Zeit für einen Wechsel.
Vielen Dank.